Café Jazz
Album: achtzehndreißig
Warum eigentlich Café Jazz, wo es doch korrekterweise Café
Pop heißen müsste? Eine viel zu deutsche Frage für eine Band, die sich in
deutschsprachigen Gefilden mit so traumwandlerischer Selbstsicherheit zwischen
den Stilen bewegt wie sie Worte für einen Zustand findet, den man hierzulande
gerade in musikalischer Form eher selten antrifft: Leichtigkeit. Die verbindet
das sächsische Quintett auf dem Debütalbum „achtzehndreißig“ mit spielerischer
Raffinesse und subtilem Pathos.
Längst sind Jan-Philipp Schneider
(Gesang, Keyboard), Alexander Henke (Gitarre), Steve Kuhnen (Saxophon),
Bernhard Stiehle (Bass) und Friedrich Steinke (Schlagzeug) aus ihrer
Heimatstadt Bautzen ausgezogen, um die Welt mit ihren süchtigmachenden Popsongs
zu erobern. Erst Dresden, wo ihnen die Band-Szene schon nach kurzer Zeit zu eng
wurde. Berlin bot schließlich mit seinen sonnigen Alleen und Boulevards die
ideale Umgebung für Straßenkonzerte. Gleich beim ersten Mal gingen ein paar
hundert selbst aufgenommene Demos über den Gitarrenkoffer. Tagelang tingelten
sie mit ihrem Kleinbus von einem Straßen-Gig zum nächsten: Eine Erfahrung, die,
wie Drummer Friedi sagt, „die Band erst so richtig zusammen geschweißt hat.“
Tatsächlich passen die mitreißenden Stücke von „achtzehndreißig“ perfekt in die
szenigen Clubs und Bars in Berlin Friedrichshain, eine Umgebung, die angesagter
und zeitgemäßer kaum sein könnte. Vom entspannten Chillout-Groove in „Beweg
dich“ bis zum treibenden Indie-Strom „Soweit“, das unverhofft zur fulminanten
Bombast-Hymne gerinnt. Es sind diese scheinbar kleinen Brüche, die Cafe Jazz
stets im richtigen Augenblick zu inszenieren wissen, ohne das man ihnen je
Effekthascherei nachweisen könnte. Da fügt sich sogar ein Disco-Stampfer wie
„Alles beim Alten“ samt Seventies-Streicher und Loops nahtlos ins Programm.
Doch sind es besonders die ruhigen Passagen, die ans Herz greifen, etwa in der
majestätischen Ballade „Herbstzeit“. Oder im zackigen Soul-Pop von „Viel mehr“
mit seinen eleganten Saxophon-Harmonien. Und wenn Sänger Jan-Philipp seine Ode
an die „Sonne“ anstimmt, scheint er das private Glück von jedem zu retten, der
ihm Gehör schenkt: „Immer wenn die Sonne zu scheinen beginnt, lasse ich mich
fallen in das endlose Grün/ Immer wenn die Sonne zu scheinen beginnt, atme ich
tief ein/ Denn das kann mir keiner nehmen.“ Derart smooth formt hier einer
Aphorismen aus den Dingen des Lebens, dass fast nicht auffällt, welch kluge
Ratgeber diese Stücke sind. Das Schönste daran: Jan-Philipp dichtet fernab von
Deutschtümelei und Patriotismus. Mit klassischen Themen wie Liebe, Sehnsucht
und Freundschaft gehen Cafe Jazz herrlich unverkrampft um. Ihre Botschaft
steckt jedoch in jedem einzelnen Ton von „achtzehndreißig“: „Let the good times
roll“, scheinen einem diese Buben zuzurufen.
Sie selbst rollen vor allem live
mit atemberaubender Emphase, spielen kleine Clubtouren, gewinnen Contests oder
verzaubern als Support für Gregor Meyle und Silbermond. Zudem traten sie im
Sommer 2011 auf Europas größtem Festival, dem ungarischen Sziget, auf. Vor
Publikum verwandeln sich Cafe Jazz in clevere Zeremonienmeister, breiten ihr
komplettes dynamisches Spektrum aus und bieten eine Show, die in ihrer
Intensität und überbordenden Energie an Großes denken lässt. Wer Zeuge einer
dieser wundervollen Darbietungen wird, wenn es Jan-Philipp nach ein paar
perlenden Piano-Tupfern nicht mehr an seinem Instrument hält, Saxophonist Steve
zum Angriff bläst und Drummer Friedi den Beat vorantreibt, als gelte nur dieser
eine Moment – ja, spätestens dann wird man erkennen, dass man es hier nicht nur
mit einer sehr talentierten Band zu tun hat, sondern quasi der Uraufführung
frischer, losgelöster Popmusik beiwohnt.
Auf „achtzehndreißig“ betrachten
Cafe Jazz die vermeintlich beiläufigen Eindrücke, die kleinen Wunder durch die
neugierigen Augen eines Kindes, das nicht genug bekommt von dieser großen,
spannenden Welt, die man unmöglich Pessimisten und Zynikern überlassen kann.
Bleibt zu hoffen, dass ihnen dieser Blick nicht so schnell abhanden kommt.
Tracklist:
1 Ich
danke Dir
2 Viel mehr
3 Weit draußen
4 Herbstzeit
5 Alles beim Alten
6 Beweg Dich
7 Überall
8 Soweit
9 Wenn du jetzt gehst
10 Laterne
11 Sonne
Veröffentlichungen:
08.06.2012 Alles beim Alten
(Single)
22.06.2012 achtzehndreißig
(Album)